Was uns die Langsamkeit gibt

am . Veröffentlicht in Körper

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Wir leben heute in einer sehr schnelllebigen Zeit, so in etwa kann man heute mit der Einführung in fast jedes Thema beginnen. Gerade in allen technischen Bereichen überschlagen sich täglich die Innovationen. Wer gerade endlich begonnen hat, ein bestimmtes Betriebssystem oder eine Programmiersprache so weit zu verstehen, um das praktisch anwenden zu können, soll schon wieder alles vergessen, weil es längst wieder etwas viel Besseres gibt. In vielen Bereichen rennen wir Menschen mit dem Kopf gegen Wände, die Grenzen dessen, was wir noch in angemessener Zeit verstehen, anwenden und umsetzen können, sind schon lange weit überschritten, in der Folge steigt die Unzufriedenheit auch mit uns selbst, weil wir uns oftmals fragen: "Bin ich vielleicht nicht intelligent genug für diese Gesellschaft und für diese Zeit?

Es geht hierbei auch um eine innere Unsicherheit wegen sehr hoher Anforderungen, die vielen Menschen nicht einmal bewusst wird, weil derartige Gefühle oftmals nur im Unterbewusstsein aufkeimen. Das können dann ursächliche Konflikte sein, die normale psychische Belastungsgrenzen sprengen, und eine ständige Zunahme psychischer Erkrankungen ist heute evident. Aber der eigentliche Konflikt, der hinter allem steckt, ist die Tatsache, dass sich unser Gefühlsleben und Habitus, unsere Ängste, Aggressionen und auch unsere Egoismen seit mehr als 10.000 Jahren nicht verändert haben, wohingegen von uns eine Anpassung an technische Veränderungen jeden Tag gefordert und als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Mit dieser sich selbst überschlagenden technischen Revolution, die sich ohne Ende immer weiter beschleunigt, macht die Menschheit ohne Frage einen grossen Fehler, der aber nicht auf den Prüfstand kommen darf, weil mit dem damit verbundenen explodierenden Konsum zu viele Milliarden verdient werden.

 

Einen Gang zurück schalten

Was die Einleitung gerade versucht hat zu verdeutlichen, ist eigentlich schon lange bekannt. Viele Menschen, die ggf. auch etwas philosophisch orientiert sind, haben die Vorzüge der Langsamkeit, ihre wohltuende, stabilisierende Wirkung auf Körper und Geist schon lange erkannt, viele Bücher und Traktate wurden darüber verfasst. Wir möchten hier nur ein paar Anregungen geben, mit welchen einfachen Tätigkeiten man sich dem Genuss der Langsamkeit an ganz normalen Tagen annähern kann, um sich damit auch selbst wieder ins Lot zu bringen.

 

Unser Umgang mit den Alten

Alte Menschen sind aufgrund ihrer körperlichen und manchmal auch geistigen Einschränkungen ziemlich langsam und schwerfällig. Das nervt uns oft bei unseren Eltern oder Grosseltern, weil wir ihnen zwar helfen wollen, vielleicht mit dem Auto zum Einkaufen oder zum Arzt bringen möchten, wobei wir aber um 17:15 Uhr unbedingt noch einen wichtigen geschäftlichen Termin wahrnehmen müssen. Endlich mit den vielen Taschen unten am Auto angekommen, kommt dann prompt die Frage: "Sabine, habe ich eigentlich meine Wohnung abgeschlossen? Hast Du gesehen, ob ich den Herd ausgemacht habe? Lass uns doch noch mal oben nachschauen gehen." Jeder kann jetzt gut nachvollziehen, wie der Stress in uns hochkocht.

Und genau hierin liegt der falsche Ansatz. Wenn wir uns auf alte Menschen einlassen, müssen wir selbst wie ein alter Mensch sein. Dann sind wir Rentner und haben keine Termine, weil wir sowieso keine Freunde und Bekannten mehr haben. Wir tauchen auch mental tief ein in die Welt des Alten, Zeit spielt keine Rolle mehr. Wenn Sie das einmal konsequent so machen, werden Sie daraus eine Erkenntnis gewinnen, die Ihnen kein Text dieser Welt vermitteln kann. Noch eine viel grössere Portion Erkenntnis gewinnt derjenige, der sich für eine aktive Mitarbeit in einem Hospiz entschliessen kann. An diesen Menschen perlt der alltägliche "Berufsverkehr" schliesslich wie an Bienenwachs ab.

 

Fastfood ist keine Lösung

Ein weiterer grosser Nachteil, den uns die moderne hektische Zeit gebracht hat, ist falsche Ernährung mit all ihren furchtbaren Konsequenzen, allen voran das ganze Bündel an Zivilisationskrankheiten. Dadurch wird unser Gesundheitssystem über alle Massen ziemlich sinnlos belastet. Den grössten Teil der Diabetes-, Bluthochdruck-, Gicht- oder lebensbedrohliche Herzkreislauferkrankungen würde es gar nicht geben, wenn wir uns gesund und langsam ernähren würden. Wenn wir das Kochen nicht nur als notwendiges Übel empfinden würden, um schnell satt zu werden, damit wir den nächsten wichtigen Termin noch schaffen, dann könnten wir ggf. auch zu zweit unsere Mahlzeit mit Zeit und Genuss und den richtigen, gesunden Zutaten vorbereiten. Selbstverständlich wird diese liebevoll kreierte Mahlzeit dann nicht in 6 Minuten heruntergeschlungen, weil da gleich noch eine Mitarbeiterbesprechung mit dem Chef vereinbart ist, sondern wir geniessen jeden Bissen, der ausreichend lange gekaut wird, um dem Magen und den Magenschleimhäuten einen leicht verdaulichen, vitalstoffreichen und fettarmen Brei angedeihen zu lassen.

 

Sport muss nicht schnell sein

Abschliessend möchten wir noch auf eine Sportart hinweisen, die dabei helfen kann, den mentalen Wandel wirklich vollziehen zu können. Yoga ist ja sowieso in aller Munde, aber gerade das extrem langsame Tai Chi vereint in sich Komponenten des Kampfsports und der Meditation. Wer die Vorzüge der Langsamkeit in unserer heutigen hektischen Zeit erkannt hat, sollte unbedingt mal einen "Schnupperkurs" im chinesischen Schattenboxen machen, um damit in die Lage versetzt zu sein, sich stets erfolgreich gegen die bösen Schatten des hektischen Zeitgeistes zur Wehr zu setzen.

Bildquelle: Marco Barnebeck / pixelio.de