Nobody is perfect

am . Veröffentlicht in Körper

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Frauen waren schon immer etwas kritischer beim Blick auf ihre Taille als Männer. Aber noch nie zuvor waren Frauen auch so überaus unglücklich beim Blick in den Spiegel wie heute. Früher verglich sich die normale Frau zum Beispiel mit Stars aus der Musikbranche, attraktiven Schauspielerinnen oder Models. Heute kümmert es die emanzipierte Frau nicht so sehr, wie die glänzenden Stars und Sternchen aussehen. Genug des mangelnden Selbstwertgefühls und der starken Zweifel am eigenen Ich beschert bereits ein kurzer Aufruf von Facebook oder Instagram, wo jedermann seine mehr oder weniger gelungenen Fotos postet.

 

Warum kränkt uns der Anblick anderer normaler Menschen?

Inzwischen hat die Erkenntnis schon viele erreicht: Jene glänzend schimmernde Nachrichtenwelt, die uns die Medien täglich präsentieren, ist eine Parallelwelt, die mit unserer alltäglichen Realität gar nichts mehr zu tun hat. Endlich haben wir uns davon emanzipiert, es besteht keine Veranlassung, uns mit all diesen glamourösen prominenten Gestalten zu vergleichen. Ganz anders ist die Sache aber, wenn unsere Bekannten, ganz normale Menschen, die dieselbe Arbeit verrichten wie wir und auch ganz ähnliche Probleme haben wie wir, ihre Fotos teilen, auf denen sie so attraktiv wirken. Schnell frisst sich der belastende Eindruck in unsere empfindsame Seele, dass alle immer viel besser aussehen als man selbst.

Frauen befinden sich in einem permanenten nervenzehrenden Konkurrenzkampf. Möglicherweise gilt dies in begrenztem Masse auch für Männer, die daraus aber nicht jenen hohen Leidensdruck ableiten. Nur ein Beispiel: Ein attraktiver Mann betritt in Begleitung einer Frau das Zimmer. Sofort mustern alle anderen Frauen, was sie trägt und wie sie aussieht. Ist sie vielleicht attraktiver als wir selbst? Und in diesem Vergleich beurteilen wir uns selber meistens unangemessen schlecht.

 

Woran liegt das eigentlich?

Bei der Wahrnehmung unserer Umwelt müssen wir selektierend vorgehen. Wenn wir die Bilder anderer Frauen auf einer Facebook-Seite betrachten, können wir deren (durchaus auch vorhandenen) Problemzonen nicht sehen, denn jeder versucht sich, perfekt in Szene zu setzen und postet nur die am besten gelungenen Fotos, die oftmals sogar noch digital nachbearbeitet worden sind. Bei unseren eigenen Bildern sehen wir aber alles ganz genau, weil wir ja unsere kleinen Makel kennen. Es ist wie mit dem typischen Pickel auf der Nase: Wir befürchten, die ganze Welt starrt nur gebannt auf diese Eiterbeule und kann deshalb nichts anderes mehr von uns wahrnehmen.

Es ist unser eigenes mangelndes Selbstbewusstsein, unsere Angst davor, unattraktiv zu sein, die das Gefühl der Kränkung im Ergebnis auslöst, und das oftmals mit gravierenden Folgen, die man getrost als Teufelskreis bezeichnen kann. Stress und Unzufriedenheit veranlassen viele Frauen dazu, sich selbst trösten oder belohnen zu wollen, und auf welche bequeme Art machen sie das? Sie essen "was Schönes". Dieses Heisshungergefühl: "Jetzt brauche ich unbedingt einen Keks, Schokolade oder Eis", kennen sicherlich die meisten Leserinnen. Aber schon unmittelbar danach bereuen wir diese Untat zutiefst, was uns dann noch unglücklicher macht. Und was passiert dann wieder im unglücklichen Zustand? Übergewicht ist die unausweichliche Folge. An dieser Stelle können wir nicht anders, als uns an das schöne alte Liedchen von Trude Herr zu erinnern mit der ach so wahren Textzeile: "Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann, der mich ordentlich küssen und anfassen kann..."

 

Das andere Extrem ist viel schlimmer

Die andere traurige Seite der Medaille ist die ständig weiter wachsende Zahl an Bulimie und Magersucht erkrankten Frauen. Hier geht es um äusserst ernsthafte und direkt lebensgefährliche Essstörungen. Charakteristisch für die betroffenen Frauen sind regelmässige Anfälle von Heisshunger. Dabei werden unverträgliche Mengen verschiedenster Nahrungsmittel in sehr kurzer Zeit hineingestopft und unmittelbar anschliessend erbrochen. Magersüchtige Frauen haben immerzu die Überzeugung, zu dick zu sein, völlig unabhängig von der bedrohlichen Zahl, die ihnen ihre Waage ganz offensichtlich anzeigt.

 

Internet als Hoffnungsträger

Glücklicherweise beobachten wir ausgerechnet im Internet endlich einen "Gegenwind" zu diesem Perfektionismuswahn. Dabei geht es um eine moderne Bewegung, die immer mehr Frauen den Mut gibt, sich so zu zeigen, wie sie wirklich sind, mit allen ihren Makeln und Problemzonen. Es geht um Bilder von Frauen, die schonungslos ihre Schwangerschaftsstreifen oder Fettpölsterchen an Bauch und Po zeigen und trotzdem eine glückliche weibliche Ausstrahlung haben mit der klaren Botschaft, auch andere Frauen dazu aufzurufen, sich so, wie sie sind, zu akzeptieren und zu lieben.

Lasst uns also unseren individuellen Stil entwickeln und unsere besonderen Vorzüge betonen. Ja, wir Frauen stehen gern in Konkurrenz, das spornt uns an und macht uns stärker. So bestreiten wir selbstbewusst den Kampf, ohne Selbstzweifel, ohne Bedauern, erhobenen Hauptes und mit einem bezaubernden Lächeln. Wie sang doch gleich Édith Piaf: Non, je ne regrette rien"!

Bildquelle: RyanMcGuire / pixabay.com